Carlos Müller
Die Kanarischen Inseln
Reisen durch die Zeit

Insel-Psychologie, oder warum die Kanarier sind, wie sie sind?

Guanchenstatue
Guanchenstatue an einer Bushaltestelle, La Laguna, Teneriffa
"No semos nadie, y algunos ni eso. - Wir sind niemand, und einige noch nicht einmal das." - Kanarische Selbsterkenntnis.
Über den Nationalcharakter oder die kollektive Psyche eines Volkes zu schreiben, ist ein stets riskantes Unternehmen. Zu viel Unsinn ist schon darüber verbreitet worden. Solange dieser Unsinn nicht die üblichen harmlosen Betrachtungen, Scherze oder Sticheleien überschreitet, kann man ihn unter der erweiterten Rubrik "Folklore" verbuchen. Für die Bewohner der Kanarischen Inseln jedoch ist der Fall nicht so einfach. Seit ihrer kürzlichen politischen Emanzipation im Rahmen des spanischen Nationalstaates stellt sich ihnen immer öfters die Frage nach ihrer Identität. Stimmt es wirklich, dass sie nicht mehr Europa, noch nicht Amerika und doch nicht Afrika sind - Bewohner einer leeren Mitte? Angestoßen von eher archäologisch interessanten Entdeckungen bemerkten die heutigen Kanarier, dass ihre Vergangenheit nicht jene dunkle Zeit gewesen war, in die die spanischen Eroberer das Licht der Zivilisation und des christlichen Glaubens gebracht hatten, wie ihnen über Jahrhunderte hinweg eingebläut worden war. Ein Gefühl der Verunsicherung breitete sich aus und es kam der Verdacht auf, dass man lange Zeit um die eigene Geschichte betrogen worden war.
Die Debatte ist heute in vollem Gange. Die Suche nach der kollektiven Identität hat einen Prozess der individuellen Identitäts-Forschung ausgelöst, der sich wiederum in der sich langsam aufbauenden kollektiven Identität spiegelt, ein verwirrendes Problem, das der kanarische Priester und Psychologe Manuel Alemán auf unübertroffene Weise zusammenfasste.

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